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Helmut Newton

Helmut Newton liebte es, den düsteren Ausspruch seines Vaters zu zitieren, wenn dieser die Zukunft des in seinen Augen nicht sehr reifen Sohnes beschrieb: „Mein Junge, Du wirst in der Gosse enden. Du hast nur Mädchen und Fotos im Kopf!“ – hatte dieser sich doch im Alter von zwölf Jahren eine Kamera gekauft und widmete sich fortan mehr der Fotografie als der Schule. Diese Prophezeiung sollte sich jedoch nicht erfüllen. Der 1920 in Berlin geborene Newton machte sich exakt diese Vorliebe zu Nutze und avancierte zu einem der bedeutendsten, zugleich kontrovers diskutierten Mode- und Aktfotografen des 20. Jahrhunderts. Bereits früh provozieren seine Werke, changieren zwischen Sexismus und permanenter Grenzüberschreitungen und sind zugleich glamourös künstlerische Arbeiten, die Generationen von Fotografen beeinflusst haben.

Helmut Newton ist zunächst langjähriger Exklusivfotograf der australischen Vogue. Nach und nach beauftragen ihn auch die französische, italienische und die deutsche Ausgabe der Modezeitschrift. Newton bewegt sich in der Welt der Mode und des Luxus. Mode, Luxus, Geld und Macht werden zum zentralen Thema seiner Arbeit. Inspiriert von der Arbeit des französischen Couturiers Yves Saint Laurent entsteht die Serie „Yves Saint Laurent Collection“ (1983-87), die u.a. Naomi Campell als Model in Kreationen des weltbekannten Designers zeigt. Es ist die Zeit, in der Frauen in Männeranzügen und strengen Etuikleidern auftreten, um damit unverhohlen auch weibliche Stärke zu betonen. Yves Saint Laurents strenge Designs sowie Newtons eigene Auffassung des Weiblichen finden hier auf eine kongeniale Weise eine Entsprechung.

Früh avanciert Newton mit Aktaufnahmen in aufreizenden Posen, inszeniert seine Models in präzise durchdachten Kompositionen. Den Prozess dieser künstlerischen Bildfindung unterstreicht bereits eine Serie von Polaroids, die den Titel „Das letze Hemd“ (1970-78) trägt, und Aufnahmen gleichsam vorweg nimmt, die er während eines Fotoshooting für das Magazin „Stern“ wie Skizzen entstehen lässt. Er gilt als der erste Fotograf, der überhaupt Polaroids als künstlerisches Mittel eingesetzt hat, und deshalb ist es auch hier in der Ausstellung spannend, sie in Wechselwirkung mit den finalen Werken zu betrachten.

In diesem Kontext zeigen sie drei unterschiedliche Szenen, die Newton in verschiedenen Nuancierungen durchspielt, scheinbar immer auf der Suche nach der spannungsvollsten Komposition. Dabei legt es Helmut Newton geradezu perfide darauf an, dass seine Aufnahmen, denen jeglicher Kontext abhanden gekommen zu sein scheint, wie Momentaufnahmen eines geheimnisvollen Filmes lesbar sind, dessen Handlung sich jedoch fast ausschließlich im Kopf des Betrachters abspielt. Somit wird der Betrachter zum Voyeur, oder zumindest zu dessen Komplizen, was ein von Newton gewollter Kunstgriff ist. Nur allzu deutlich belegt dies sein „Essay on Voyeurism“ (1989). Seine Vorliebe für Aktaufnahmen an Orten von zugleich öffentlicher wie auch privater Natur verraten die von ihm provozierten Grenzüberschreitungen. Orte wie die Lobby eines Hotels verkörpern die Ambivalenz von Erlaubtem und Verbotenem, wenn es um Akte geht, und konfrontieren den Betrachter mit Kompositionen, die ihn gleichermaßen faszinieren wie irritieren. Die selbstverständliche Natürlichkeit, mit der sich Newtons Models nackt in der Öffentlichkeit ablichten lassen, wirken zu seiner Zeit beinahe wie ein Schock. Sein „Arielle Portfolio“ (1982-1989) zeigt das Model, mit dem er lange Zeit eng zusammen gearbeitet hat, in intim anmutenden Momenten, die zugleich durch ihre kapriziös inszenierten Haltungen irritiert. Die voyeuristische Linse des Fotografen führt den Betrachter an die Grenzen seiner gewohnten Wahrnehmung. „If a photographer says he is not a voyeur, he is an idiot,“ betont Newton. Seine Erotik und seine wie in Träumen erlebten und inszenierten Bilder wirken wie Blicke durch ein Schlüsselloch – verboten und doch von geschärfter Realität. Der schmale Grad zwischen sexistischer Provokation und einem kalkulierten Spiel mit kühl inszenierter Distanz in der Darstellung seiner weiblichen Akte, die ihnen Macht und Selbstbewusstsein verleihen, ist typisch für Newtons Akte. 

Newton bezeichnet seine selbstbewussten Frauen als „cool women“. Sie tragen fast immer hochhackige Stilettos, stehen aufrecht und dominant dem Betrachter gegenüber. In einigen Werken konzentriert er sich ganz auf den Schuh als Metapher sexueller Begierde. Ähnlich verhält es sich mit dem Pelz. Charlotte Rampling posiert für Newton in einen Pelzmantel gehüllt (2002). Dabei treten für den Betrachter Verhüllung und Entblößung des weiblichen Körpers in einen spannungsgeladenen Dialog. Der Pelz als Fetischobjekt rekurriert zugleich auf Leopold von Sacher-Masochs Roman „Venus im Pelz“ von 1869, einem Werk, in dem Lust und Unterwerfung des Mannes die treibenden Kräfte sind. Viele Darstellungen nackter Frauen in aufreizenden Posen – teils auch mit Attributen wie Colt, Messer, Sattel, Fesseln – sind bewusst sexistisch angelegt. Bei aller Provokation jedoch operieren sie gekonnt mit der Persiflage klassischer Rollenklischees, die Newton kühl inszeniert. In „Domestic Nudes“ (1993-94) deutet Newton die klassische Rolle der Frau – als mütterliche Figur am heimischen Herd – vollkommen um. Vollkommen nackt ist sie jedoch alles andere als das „Heimchen am Herd“. In der Küche, lässig in Highheels, eine Zigarette rauchend, dominiert sie die gesamte Szenerie. 

Diese Dominanz der Frauen wird besonders in seiner Serie „Big Nudes“ (1993) deutlich. Inspiriert von Fahndungsfotos an den Bürowänden einer spezialeinheit der Polizei, auf denen die gesuchten Terroristen der Baader-Meinhof-Gruppe zu sehen sind, fotografiert Newton eine Serie von Frauenakten und gibt ihnen zunächst den Titel „Die Terroristinnen“. Nachdem er die Negative auf mehr als zwei Meter Höhe vergrößert hat, tauft er sie „Big Nudes“, „Großen Nackte“. So steht das Model Yuko nur mit schwarzen Armeestiefeln bekleidet dar – aufgenommen im Studio vor weißen Papierhintergrund, wie die anderen Akte dieser Serie. Ungewöhlich für Newton, arbeit er doch lieber draußen, oder in luxuriösen Interieurs und vor allem dort, wo sich Frauen im Alltag aufhalten. So zeigt er in seiner Serie „Cyperwomen“ (2000) alltägliche Szenen im häuslichen Ambiente, spielt allerdings auch hier wieder mit der Stärke der Frauen. „Macht interessiert mich. Egal ob sexuelle oder politische Macht“, sagt Newton und treibt dieses Thema in einem Werk dieser Serie auf die Spitze: Eine auf dem Bauch liegende, nackte Frau zielt mit einer Pistole auf eine sich im Hintergrund befindliche Schattengestalt – ist sie männlich?

Die daraus schon früh entstandenen kontroversen Diskussionen, den Vorwurf, Frauen zu puren Lustobjekten zu degradieren, kommentiert Newton mit seinem Selbstporträt „Me & Courbet“ (1996). Es zeigt ihn vor dem ebenso berühmten wie auch erst spät öffentlich zugemachten Gemälde von Gustave Courbet „Ursprung der Welt“ von 1866, das sich heute im Musée d’Orsay, Paris, befindet. Es ist ein Werk, das seinerzeit ebenfalls heftige Diskussionen über Voyeurismus und Pornografie auslöste. Newton lässt den Betrachter seines Fotos unmittelbar auf das Bild und weniger auf das raffiniert angeschnittene Selbstportrait blicken. Mit seinem fokussierten Blick einzig auf die weibliche Scham und den für Empfängnis und Geburt gleichermaßen bereiten Schoß der Frau bleibt es ambivalent in seiner Lesart: Objekt sexueller Begierde oder Ursprung allen Lebens. Und wieder lässt Helmut Newton den Betrachter irritiert zurück: Ist es eine erneue Provokation, oder doch mehr noch Newtons Reminiszenz an die Kunstgeschichte, aus deren Schatz er für seine Bildfindungen – und seien sie noch so provokant – vielfach Anleihen findet. Der Fotograf zwischen klassischer komposition und klarer Provokation. Newton jedoch hält – und das ist noch entlarvender – dem Betrachter den Spiegel vor. 

Helmut Newton stirbt an den Folgen eines Autounfalls am 23. Januar 2004 in Los Angeles und wird gemäß seines Wunsches in Berlin beerdigt. Sein Werk wird schon zu Lebzeiten in allen großen Museen dieser Welt gezeigt und wird von der Helmut Newton-Stiftung ist Berlin im Nachlass verwaltet. 

Die Leihgaben stammen allesamt aus Privatbesitz.

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